Humboldt-Universität zu Berlin - Kultur-, Sozial- und Bildungswissenschaftliche Fakultät - Institut für Asien- und Afrikawissenschaften

Tokyo Views: Der touristische Blick auf die japanische Metropole um 1900

Ausstellung in der Mori-Ōgai-Gedenkstätte, 18. Juni 2024 bis 31. März 2025

 

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Im Zusammenhang mit dem 30. Jubiläum der Städtepartnerschaft zwischen Tokyo und Berlin zeigt die Mori-Ōgai-Gedenkstätte ab dem 18. Juni eine neue Ausstellung.

Das Projekt greift auf die große Zahl historischer Albuminabzüge in der wissenschaftlichen Sammlung "Bestände der Mori-Ōgai-Gedenkstätte" zurück. Die Fotografien aus dem Japan der Meiji-Zeit liegen in unterschiedlichen Formen vor; überwiegend sind sie fest in Alben eingebunden, weitere Abzüge finden sich auf herausgetrennten Seiten oder sind – durch die Eigenschaften des hauchdünnen Materials – eingerollt.  

Aus den mit Unterstützung der Mediathek des Grimm-Zentrums digitalisierten Fotografien wurden Ansichten des zeitgenössischen Tokyo ausgewählt. Um den ursprünglichen Reiz der handkolorierten Bilder wieder aufscheinen zu lassen, wurden die Digitalisate behutsam bearbeitet. Auf Fine Art Papier gedruckt, laden die rund siebzig Aufnahmen in den Räumen der Mori-Ōgai-Gedenkstätte zu Streifzügen durch die japanische Metropole, die an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert überraschend idyllisch präsentiert wurde.

Wissenschaftliches Anliegen ist es, diesen "touristischen Blick" auf Tokyo herauszuarbeiten, der interessanterweise japanische wie auch europäische Perspektiven verband. Bekanntlich hatte die Dynamik der globalen Geschichte in der Mitte des 19. Jahrhunderts auch Japan aus der "idyllischen Stille" (Mori Ōgai) gerissen. Nach mehr als zweihundert Jahren der selbst gewählten Isolation öffnete sich das Inselreich der wissenschaftlich-technisch geprägten Zivilisation des "Westens". Zwar gestaltete sich die touristische Entdeckung der fernen Destination zunächst mühsam, doch wurde das "Land der aufgehenden Sonne" rasch zu einem neuen Sehnsuchtsort der reisenden Schichten Europas. Ästhetische Strömungen wie der aufblühende Japonismus und ein zunehmend zivilisationskritischer Zeitgeist wirkten zusammen, um das angesagte Reiseziel leidenschaftlich zu imaginieren.

Bereits seit den 1860er Jahren unterhielten europäische und japanische Fotografen Ateliers in Yokohama – der Hafenstadt, die den meisten Reisenden zur An- und Abreise diente. Die Ateliers produzierten vorwiegend für Tourist:innen, die einzelne Abzüge oder kunstvoll gearbeitete Alben erwarben. Die Mitarbeiter:innen, welche diese Abzüge kunstvoll mit Farbe versahen, brachten Fertigkeiten aus der Herstellung von Holzschnitten mit. Dank des kostengünstigen Albumindrucks, der detailreiche und ansprechende Ergebnisse lieferte, wurden bald jährlich zehntausende von Kopien produziert und nach Übersee verkauft.

Fotografie und Tourismus standen in einer fruchtbaren Wechselbeziehung. Den Reisenden im ausgehenden 19. Jahrhundert waren die Bilder wohlbekannt. Sie formten Sehnsüchte und Erwartungen; sie definierten Sehenswürdiges. Die Nachfrage aus Europa und Nordamerika, der eine lebhafte Rezeption japanischer Farbholzschnitte vorausgegangen war, übte ihrerseits großen Einfluss auf die Wahl von Motiven, Perspektiven und Farben aus. Indem Tourist:innen aus tausenden von Aufnahmen wählten, konnten sie ein Album ‚ihrer‘ Erfahrungen als Souvenir zusammenstellen.

 

Konzeption: Harald Salomon und Mary Louise Grossman

Die Albuminabzüge in der Sammlung "Bestände der Mori-Ōgai-Gedenkstätte" sind großteils der Schenkung eines privaten Sammlers zu danken, die 2021 in Erinnerung an den Privatbankier Moritz Friedrich Bonte (11. Juli 1847 Magdeburg – 18. Juli 1938 Berlin) erfolgte.