The Central Asian Crafts’ risāla: Edition, Audiovisual Documentary and Commentary
Dr. Jeanine Dagyeli und Sharifa Toshova
Finanziert durch die
Die zentralasiatische Handwerks-risāla gehört zu einer bislang von der Forschung wenig beachteten Gattung folkloristischer, populärer Literatur. Sie entstammt dem Handwerkermilieu des vorkolonialen Zentralasiens und berichtet unter anderem über die mythologischen Grundlagen des jeweiligen Berufs, den Schutzpatron, den Akt der Kulturschaffung sowie ethische und religiös-normative Fragen, die mit der Berufsausübung zusammenhängen. Die Texte bewegen sich in einem literarischen Bereich der zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit changiert und weisen zahlreiche, intertextuelle Bezüge zu anderen kanonischen oder populären Texten auf. Ihnen wurde großer Wert als ethisch-religiöse Richtschnur im Berufsalltag beigemessen; am Körper getragen oder in der Werkstatt aufbewahrt galt die risāla als apotropäisch. Das Verbreitungsgebiet der risāla umfasste bis in das frühe 20. Jahrhundert vor allem die Gebiete des heutigen Usbekistan, Tadschikistan, Afghanistan und das Uyghurische Autonome Gebiet Xinjiang (Volksrepublik China). Einzelne Texte liegen auch aus Südkasachstan, Kaschmir und Nordindien vor.
Ziel unseres gegenwärtigen, gemeinsamen deutsch-usbekischen Forschungsprojekts ist eine Edition der zentralasiatischen Handwerks-risāla wobei jeder Beruf, aus dem eine risāla bekannt und zugänglich ist, mit mindestens einem Text vertreten sein soll. Derzeit betrifft dies etwa 45 verschiedene Berufe. In dem Projekt soll ein repräsentatives Korpus von risāla-Texten zusammengestellt werden, sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht (die Texte selbst eines Berufes unterscheiden sich inhaltlich oft stark voneinander). Die Texte sollen in Originalsprache und -schrift bzw., wo möglich, Faksimile, sowie in englischer Übersetzung gegeben und mit einem Kommentar versehen und somit auch für sozialhistorische und ethnologische Fragestellungen zugänglich gemacht werden. Darüber hinaus sollen anhand dieses Materiales, das einem bislang von der Editionswissenschaft weitgehend vernachlässigten literarischen Bereich angehört, methodische Impulse zur Weiterentwicklung der Editionswissenschaft ausgehen, da für das Edieren von folkloristischen Textgattungen wie der risāla eine neue Herangehensweise entwickelt werden muss. Gleichzeitig sollen ein literarisches Genre und seine Aufführungspraxis dokumentiert werden, die in Teilen ihres Verbreitungsgebietes bereits fast ausgestorben sind.