Humboldt-Universität zu Berlin - Kultur-, Sozial- und Bildungswissenschaftliche Fakultät - Institut für Asien- und Afrikawissenschaften

Der "Schwarze Januar" in Aserbaidschan - Geschichte und Erinnerung

 

Niedergang und Zerfall der Sowjetunion gehören zu den Themen des ausgehenden 20. Jahrhunderts, deren Geschichte noch lange nicht geschrieben ist, gleichgültig ob es sich um die "großen" Fragen handelt oder um die Erfahrungen der "kleinen" Leute. Welche Sprengkraft die Ereignisse in den Randrepubliken in den Erosionsprozess ab 1986 einbrachten, wird man erst einschätzen können, wenn die Ereignisse um das Aufbrechen verschütteter Konflikte an der Peripherie, in denen Nationales und Wirtschaftliches eine gefährliche Verbindung eingingen, im einzelnen erforscht sind. Das gilt auch für die wiederholt geäußerte These, das Ende der Sowjetunion sei durch die blutige Niederwalzung der Volkserhebung in Aserbaidschan 1989/90 durch die Rote Armee eingeläutet worden. Was ist an jenem 20. Januar 1990 auf den Straßen von Baku, in Wohnhäusern, vor den Kasernen, in Spitälern, in den Hinterzimmern der Politik, aber auch an den Sammelstellen für die vielen Toten geschehen? Wie wirkten die traumatischen Erlebnisse dieser Nacht und der darauffolgenden Tage in den Menschen nach, welche Folgen hatten sie im persönlichen wie im politischen Bereich? 
Das Forschungsprojekt Der "Schwarze Januar" in Aserbaidschan versucht einen Beitrag zur Dokumentation und historischen Aufarbeitung dieses zentralen Ereignisses zu leisten. Archiv- und Pressematerialien bilden einen Teil der Quellengrundlage; die laufende oral history-Forschung dokumentiert die Erinnerungen und Interpretationen von Zeitzeugen aus der Distanz von einem Dutzend Jahren, die über den Ereignissen vergangen waren und die zwar das Ende der Sowjetunion und die nationale Unabhängigkeit Aserbaidschans, nicht aber ein Ende der inneren Probleme und - aus der Sicht vieler Befragten - jedenfalls nicht die erhoffte "historische Gerechtigkeit" gebracht haben. Ziel der Arbeit ist eine Buchpublikation. Einen wichtigen Teil nehmen darin die Texte der 21 Interviews ein, die im Herbst 2002 in Baku geführt wurden.