Teilprojekt Tibet
Making the Modern Tibetan Family - Experiences with Family Planning, Fertility and Social Change among Tibetan Women in Post-Mao China
SFB 640 Repräsentationen Sozialer Ordnungen im Wandel / Teilprojekt 'Sozialistische Kampagnen in Zentralasien' - Tibet
Projektleiterin: Prof. Dr. Ingeborg Baldauf
Bearbeiterin: Dr. Mona Schrempf
Diese ethnographische Forschung basiert auf staatlich organisierter und kontrollierter Familienplanung in China (1980-2007). Der spezifische Schwerpunkt liegt auf der Art und Weise wie tibetische Frauen traditionelle sozio-kulturelle und religiöse Werte und Praktiken ihrer eigenen Gemeinschaften mit der Zwangslage verhandeln, Zielgruppe von staatlicher Geburtenkontrolle zu sein. Diese primäre Datenerhebung beruht auf mehrmonatigen Feldforschungen in der chinesischen Qinghai Provinz in den Jahren 2005 bis 2007, wobei halbstrukturierte Interviews zur Dokumentation erzählter Lebensgeschichten tibetischer Bäuerinnen und Nomadinnen verwendet wurden, die diverse Geburtenkontrollmaßnahmen am eigenen Leib erfahren haben. Während der offizielle Diskurs der Familienplanung, der durch öffentliche Slogans und Plakate repräsentiert wird, auf wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt und 'Entwicklung' durch die Verbesserung der 'Qualität' der Bevölkerung abzielt, bleiben die eigentlichen Kampagnen unangekündigt und unsichtbar, d.h. nur greifbar und verständlich durch die Subjektivität und Erfahrungen einzelner, betroffener Frauen. Grundsätzliche Konflikte betroffener Frauen ergeben sich aus ihren eigenen Vorstellungen und Prakitken als auch denen ihrer Gemeinschaften wie Gender und Fruchtbarkeit, Ausbildung und Emanzipation, Heirat und Familie, Karma und Wiedergeburt. Andere kritische Bereiche betreffen die Erwartung der Einhaltung patrilinearer Vererbung und dem sozialen Druck Mitglieder einer kulturell bedrohten tibetischen Minderheit vis-à-vis einer assimilierenden Han-Mehrheit zu sein. Ein zweiter Aspekt der Forschung zeigt auf, dass Familienplanungskampagnen je nach Quoten und lokalen Erfordernissen unterschiedlich ausfallen, und durch die kleinste Verwaltungseinheit des Regierungsapparates (xiang) durch die körperliche Kontrolle der Fruchtbarkeit von verheirateten Frauen durchgeführt werden. Verschiedene lokale Akteursgruppen sind direkt oder indirekt an der Implementierung bzw. Kontrolle der Durchführung involviert, wie Dorfvorsteher, Familienplanerinnen auf den unteren administrativen Ebenen in Dörfern und Kliniken (xiang und xian), von der Regierung angestellte Landärzte sowie (wenn auch eher indirekt) ÄrztInnen der Abteilungen für Mutter und Kind-Gesundheit. Diese Akteure und ihre jeweiligen Handlungsfelder, sozialen Beziehungen untereinander und Gruppen, innerhalb derer sie operieren, werden zusammen analysiert, um ein nuanciertes Verständnis der Rolle des Staates in der Bewirkung sozialen Wandels der tibetischen Minderheit in post-Mao China zu erlangen. Die Monographie zu dieser Studie wird im Sommer 2010 abgeschlossen sein.