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Walfangboote im Regenwald: Geschichte und Anthropologie von Motoren, Materialien und Mobilität auf den Inlandwasserwegen der Demokratischen Republik Kongo

 

Walfangboote im Regenwald: Geschichte und Anthropologie von Motoren, Materialien und Mobilität auf den Inlandwasserwegen der Demokratischen Republik Kongo

Projektleiter: Dr.Peter Lambertz

Gerda-Henkel-Stiftung
(03/2019 – 08/2020)

Kongo’s hölzerne baleinières (Walfangboote) sind lokal entwickelte, handgefertigte, bis zu 40 Meter lange sozio-technische Zusammenschlüsse, die von wassergekühlten, chinesischen Einzylinder-Dieselmotoren angetrieben werden und für bis zu 50% des Güter- und Personentransports  auf den Flüssen Wasserwegen der Demokratischen Republik Kongo verantwortlich sind. Trotz der lebenswichtigen Rolle dieser schwimmenden Kleinstädte für Millionen von Menschen wurden ihre Herkunft und Entwicklung, ihre Handhabung und auch der Grund ihres Erfolgs, nämlich das sozio-technische Zusammenspiel aus Materialien, Körpern, Fertigkeiten und Infrastrukturen, bislang nie untersucht. Dies gilt auch für die anderen Umwälzungen, die die Flusswelten des Kongobeckens wegen der tiefgreifenden ökonomischen Krise des Landes seit den 1980er Jahren erfahren haben (neue Flussmärkte und informelle Häfen, verändertes Strassennetzwerk, chinesische Motorräder, Mobiltelefone, Solarenergie, Taschenlampen, etc.). Baleinières können als massen-handgefertigte, subalterne „low-tech“ Antworten gesehen werden, deren Existenz und Erfolg die universelle Gültigkeit techno-wissenschaftlicher Lösungsansätze in Frage stellen, und diesen in der Tat eine lokal realisierbare Alternative entgegensetzen. Verwurzelt in älteren Bootsbautraditionen aus Ijwi (Kivusee), Nioki (am Mfimi-Fluss) und der Herstellung von Einbäumen, und angetrieben von chinesischen Chang-Fa Dieselmotoren, kombinieren baleinières überlieferte, auf Körperwissen beruhende Handwerkstraditionen mit lokalem Navigationsgeschick und der transnationalen Süd-Süd Übersetzung von Technologie fernab jeglicher Entwicklungszusammenarbeit.

Das Forschungsprojekt zielt darauf ab, den Erfolg dieser Boote zu dokumentieren und historisch zu ergründen. Es möchte hierzu

  1. die Operationskette (chaîne opératoire) aus Materialien, Körpern, Techniken und Fertigkeiten in Raum und Zeit nachzeichnen, inklusive der Wahl und des rituellen Fällens von Bäumen, dem Recyceln und Verarbeiten lokaler Baumaterialien  (Holz, Teer, Aluminiumwellblech, Palmöl, Baumwolle, Blätter, etc.), sowie des Reparierens und Wartens des chinesischen Diesel-Antriebssystems.
  2. Außerdem sucht das Projekt das materielle und spirituelle Leben, bzw. die lokalen Ontologien der mit fossilem Brennstoff angetriebenen Schiffsmotoren nachzuvollziehen. Obschon Verbrennungsmotoren auch in Afrika das Leben grundlegend verändert haben, ist dieses Thema in der Vergangenheit von Ethnologen und Historikern größtenteils außer Acht gelassen worden übersehen worden.

Das Projekt vereint Oralgeschichte und historische Archivforschung mit ethnographischer Feldforschung (teilnehmende Beobachtung als Crew-mitglied, Interviews, Photographie und Film) in der Provinz Tshopo (DR Kongo). Theoretisch inspiriert sich das Projekt aus der Anthropologie der materiellen Kultur, dem Sozialstudium der Technologie/STS, der Ethnoarchäologie und rezenten Debatten zum Anthropozän.