Afrikanische KindersoldatInnen in Literatur und Film. Repräsentation, Diskurs, Ästhetik
Projektvorbereitende Forschung seit 2009
Förderzeitraum: 01.10.2015 - 15.02.2019
Mittelgeberin: Deutsche Forschungsgemeinschaft
Projektleitung: Prof. Dr. Susanne Gehrmann
Wissenschaftliche Mitarbeiterin: Charlott Schönwetter
Studentische Mitarbeiterinnen: Friederike Risse, Hannah Abdullahi und Nadine Ngolo
Das Projekt zielt auf eine umfassende kritische Auseinandersetzung mit Literatur und Film als Medien narrativer Repräsentationen von afrikanischen KindersoldatInnen, deren Präsenz im medialen und künstlerischen Diskurs seit 2000 sowohl im globalen Norden als auch in afrikanischen und afro-diasporischen kulturellen Produktionen virulent ist. Repräsentation wird dabei keineswegs als bloß zeichenhaft-abbildender Rückverweis auf gesellschaftliche Realität verstanden, sondern vielmehr als eine Form der Darstellung, die immer eine Interpretation von Realität beinhaltet und an der diskursiven Konstruktion von Vorstellungen über „Afrika“, „Kindheit“ oder „Krieg“ erheblich mitwirkt. Der übergeordnete methodische Ansatz ist die kritische, foucauldianische Diskursanalyse postkolonialer Prägung, welche durch textanalytisches Close-Reading mit Hilfe narratologischer, rhetorischer und intertextueller Methoden ergänzt wird. Literatursoziologische und rezeptionsästhetische Ansätze sowie ExpertInneninterviews ergänzen die Inblicknahme des diskursiven Feldes, welches sich rund um die Symbolfigur des/der KindersoldatIn entfaltet. Ziel des Projekts ist es, herauszuarbeiten, inwiefern Repräsentationen in fiktionaler und testimonialer Literatur, im Spiel- und im Dokumentarfilm eine produktive Auseinandersetzung mit den Themenkomplexen Kinder, Krieg und Gewalt ermöglichen, die über sozialwissenschaftliche Analysen hinausgeht. Es wird nach dem gesellschaftspolitischen Beitrag und der diskursiven Wirkung der kulturellen Produktionen zu KindersoldatInnen gefragt, die häufig von einem ethischen Impetus getragen werden, jedoch auch an der Reproduktion von Stereotypen über den afrikanischen Kontinent beteiligt sind. In dem Projekt soll aufgezeigt werden, dass literarische und filmische Narrative einen Raum für menschliche Verhandlungsmöglichkeiten von Gewalt, aber auch von grundlegenden gesellschaftlichen Konzepten wie Kindheit, Nation oder Gender bieten und somit einen Beitrag zur Verarbeitung der Geschichte von Kriegen und deren kollektiver Traumata leisten können. Neben Narrativen symbolischer Verhandlung und Versöhnung entlang der Figur des/der KindersoldatIn stehen jedoch Repräsentationen, in denen Afrika als per se gewalttätiger Raum und Afrikas Kinder als passive Opfer perpetuiert werden. Ziel des Projektes ist somit die vertiefte Analyse der Komplexität von Fiktion und testimonialen Verarbeitungen, während parallel die Fallstricke der erneuten diskursiven Herstellung Afrikas als Kontinent unaussprechlicher Gewalt, potenziert in der Figur des/der KindersoldatIn, herausgearbeitet werden. Ambivalenzen und Überschneidungen beider Tendenzen sind aufgrund der Komplexität des Themas unausweichlich; gerade diese gilt es mit Blick auf das übergeordnete diskursive Ensemble kritisch zu evaluieren. Die Analysen sollen sowohl internationale als auch lokal spezifische Ausprägungen des kulturellen Diskurses über afrikanische KindersoldatInnen deutlich machen und in Bezug zueinander setzen.
Forschungsaufenthalte
Charlott Schönwetter: Januar bis Mai 2016 an der University of Ibadan
Susanne Gehrmann: März/April 2016 in Kinshasa
Juli/August 2016 in Kinshasa und Brazzaville
Vorträge
„Children and War. Past and Present“ Universität Salzburg 2013
• Susanne Gehrmann: „Violence, Trauma, and Justice in Films on African Child Soldiers“
• Charlott Schönwetter: „The Decline of Militant Masculinity in Novels on African Child Soldiers“
„‘Reviewing the past, negotiating the future: the African bildungsroman’- 10. Internationales Janheinz Jahn-Symposium“ Universität Mainz 2014
• Susanne Gehrmann und Charlott Schönwetter: „The African child soldier novel – anti- or alternative Bildungsroman?“
„41st Annual Conference of the African Literature Association ‘African Futures and Beyond. Visions in Transition’“ Universität Bayreuth 2015
• Charlott Schönwetter: „‘The Future Is So Close’ – Imagining Future From a Place of Destruction“
„Children and War. Past and Present“, International Conference, Universität Salzburg 2016
• Organisation des Panels „ Ethical Tensions between Witnessing and Artistic Expressions in Literature, Film and Theatre on/by African Child Soldiers “
• Susanne Gehrmann: „The Kadogo as an Artist. Serge Amisi’s multimedial working through war trauma“
• Charlott Schönwetter: „ Bearing Witness: Autobiographical and Fictional Testimonial Texts by/on African Child Soldiers “
„Labour and Leisure“, Kooperationsworkshop HU-Berlin - University of Nairobi, Nairobi 2016
• Susanne Gehrmann: „War as Child’s Play“
„Legacies of Biafra“, conference SOAS London, 2017
• Charlott Schönwetter:„ The Nigeria-Biafra War and Literary Child Soldier Narratives“
„Annual Conference of the Association for Anglophone Postcolonial Studies - 'Representing Poverty and Precarity in a Postcolonial World'“ Universität Bonn, 2017
• Obala Musumba, Friederike Risse und Charlott Schönwetter: „African Child Soldiers in Literature: Ambiguous Figures in Precarious Contexts“ (Poster Presentation)
„43rd Annual Conference of the African Literature Association “Africa and the World: Literature, Politics, and Global Geographies“ Yale University 2017
• Charlott Schönwetter: „Testimonies on Violence: (Fictional) Child Soldier Narratives and the Implication of Gender“
Eastern African Literary and Cultural Studies Conference, University of Dar-es-Salaam, 2017
• Susanne Gehrmann: "Contrasting Voices on War in Abdourahman Waberi's Novel Transit"
Kosmos Workshop: “Crossings and Comparisons in African Literary and Cultural Studies” Humboldt-Universität 2018
• Charlott Schönwetter: “Child Soldier Narratives in Children’s Literature. A Cross-Regional and Cross-Language Comparison”.
Gastvortrag im Institut für Afrika-Studien der Universität Mainz, 2018
• Charlott Schönwetter: "Kindersoldat_innen in west-afrikanischen Literaturen. Als Bildungsroman lesbar?"
Colloque international „Global Congo“, Università degli Studi di Milano, 2019
• Susanne Gehrmann: „La figure du Kadogo dans la littérature congolaise : du témoignage à la fiction”
Publikationen
Gehrmann, Susanne; Mforbe Chiangong, Pepetual: "Crossings and Comparisons in African Literatures and Cultures: Introduction", in: Susanne Gehrmann/Pepetual Mforbe Chiangong (Hg.): Crossings and Comparisons in African Literatures and Cultures. WVT, Trier, LuKA 2022, S. 1-10.
Gehrmann, Susanne; Daré, Gbandé: From a Francophone Novel to an Anglophone Film: Emmanuel Dongala’s Johnny chien méchant and Jean-Stéphane Sauvaire’s Johnny Mad Dog", in: Susanne Gehrmann/Pepetual Mforbe Chiangong (Hg.): Crossings and Comparisons in African Literatures and Cultures. WVT, Trier, LuKA 2022, S. 193-215.
Gehrmann, Susanne: Geschichtsbewältigung und Sprachexperimente. Small Soldiers in afrikanischen Literaturen. Öffentliche Vorlesungen an der Humboldt-Universität zu Berlin, Forschungsabteilung der HU, Berlin 2011, 51 S.
Gehrmann, Susanne: "The Child Soldier’s Soliloquy. Voices of a new Archetype in African Writing", in: Études littéraires africaines 2/2011, 31-43.
Gehrmann, Susanne: "Re-Writing War in Contemporary Nigerian Fiction. From Biafra to Present Times", in: Jana Gohrisch/Ellen Grünkemeier (Hg.): Listening to Africa. Anglophone African Literatures and Cultures. Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2012, 213-242.
Gehrmann, Susanne: "Fiktionale Zeugnisse von Kindersoldaten in der frankophonen Literatur", in: Claudia Nickel/Alexandra Ortiz Wallner (Hg.): Zeugenschaft. Perspektiven auf ein kulturelles Phänomen. Winter, Heidelberg 2014, 77-88.
Gehrmann, Susanne; Schönwetter, Charlott: "The African Child Soldier Novel: Anti- or Alternative Bildungsroman? ", Arbeitspapiere/Working Papers, Institut für Ethnologie und Afrikastudien, Universität Mainz 2017, 15 S. http://www.ifeas.uni-mainz.de/Dateien/AP_174.pdf
Gehrmann, Susanne. Rezension von Toyin Falola/Ogechukwu Ezekwem (Hg.): Writing the Nigeria-Biafra War. Woodbrige, James Curry 2916, 492 S., in: Études littéraires africaines 44/2017, S. 230-232.
Schönwetter, Charlott und Schneider, Marlene: „Kindersoldaten im Medienwechsel: Uzodinma Iwealas Roman Beasts of No Nation in der Filmadaption und Hörspielfassung“, in: Stichproben. Wiener Zeitschrift für kritische Afrikastudien. 19, 37/2019, 73‐91.
Gehrmann, Susanne/Charlott Schönwetter (Hg.): The Ubiquitious Figure of the Child Soldier. Interviews with African Writers, Academics and Cultural Activists followed by a comprehensive bibliography. WVT, Trier, LuKA 2019, 229 S.
Gehrmann, Susanne: "Congolese Child Soldier Narratives for Local and Global Audiences. From Testimony to Reconciliation”, in: Journal of World Literature no. 21, 2021, S. 148-166. https://brill.com/view/journals/jwl/6/2/article-p148_3.xml?language=en
Abschlussarbeit
Friederike Viviane Risse: Von den (Un)Möglichkeiten, Trauma zu erzählen. Zur Kollektivität, Kontinuität und Vielschichtigkeit von Trauma in Léonora Mianos Trilogie Africaine
Masterarbeit im MA Afrikawissenschaften, 2017.