Humboldt-Universität zu Berlin - Kultur-, Sozial- und Bildungswissenschaftliche Fakultät - Institut für Asien- und Afrikawissenschaften

Aoyama Enbin und das geistige Leben im Kriegsgefangenenlager von Kurume und sein Nachhall 1915-1926

Vortrag von Prof. Dr. Wolfgang Christian Schneider (Universität Hildesheim), 16. November 2023

Nach der Eroberung von Tsingtau im November 1914 entstanden in Japan mehreren Lager für die gefangenen deutschen Soldaten. Darunter war auch ein Lager in Kurume. Dort entfalteten die Gefangenen ein bemerkenswertes Kulturleben  mit Theaterstücken und mit Aufführungen von Klassischer Musik (auch der 9. Symphonie Beethovens). Doch sind die Gegebenheiten im Kriegsgefangenen-Lager in Kurume auch jenseits dessen von besonderem Interesse: Denn einer der Brief-Zensoren, Aoyama Embin, der vor 1914 selbst bei Karl Florenz in Tokyo studiert hatte, wurde Teilnehmer einer literarischen Leserunde gebildeter Kriegsgefangener und schrieb – mit deren Unterstützung – selbst eine Sammlung deutschsprachiger Gedichte, die noch im Lager gedruckt wurden. Auch veröffentlichte er auf Deutsch Beiträge für die Lagerzeitung der Gefangenen. Die ihm im Lager vermittelten Kenntnisse veranlassten ihn dann 1925 – nun schon Professor an einer Japanischen Universität – nach Deutschland zu reisen und in Heidelberg Vorlesungen von Prof. Friedrich Gundolf zu hören sowie dann auch den Dichter Stefan George selbst aufzusuchen. Das Wintersemester 1925/1926 verbrachte er an der Universität Berlin: Er erscheint in der Auflistung der Mori-Ōgai-Gedenkstätte. Nach der Rückkehr veröffentliche Nabutoshi Aoyama die erste Monographie über Stefan George in Japan und legte auch einen Bericht über seine Begegnung mit Stefan George und das geführte Gespräch vor.

 

Kurume Postkarte Weihnachten.jpg
Weihnachtskarte aus Kurume

 

Prof. Dr. Wolfgang Christian Schneider wurde in Stuttgart geboren und wuchs im Neckartal und im Hochschwarzwald auf. Sein Studium der Geschichte, Germanistik, der Klassischen Archäologie / Kunstgeschichte und Philosophie in Stuttgart und Tübingen schloss er mit der Promotion ab. Er nahm an Ausgrabungen auf der Schwäbischen Alb und auf Samos teil, habilitierte sich an der Universität Darmstadt mit einer Arbeit zu Cicero. Er leitete mitverantwortlich ein DFG-Projekt zu den repräsentativen Handlungen in der Hagia Sophia in Konstantinopel, war Fellow an der Königlichen Flämischen Akademie der Wissenschaften von Belgien und übernahm dann eine Professur für Philosophie, Geistes- und Kulturgeschichte an der Cusanus-Hochschule. Seit 2016 wirkt er als Senior Professor an der Universität Hildesheim.