Humboldt-Universität zu Berlin - Kultur-, Sozial- und Bildungswissenschaftliche Fakultät - Institut für Asien- und Afrikawissenschaften

Bandō - vom Kriegsgefangenenlager zum Ort des deutsch-japanischen Austauschs

Vortrag (digital) von Dario Streich, Naruto, am 25. Mai 2023
Deutsches Haus Naruto
Deutsches Haus Naruto (Dario Streich)

Mit Ausbruch des 1. Weltkriegs wurden die globalen Machtverhältnisse zerrüttet. Nicht nur in Europa, sondern auch in Ostasien standen sich ehemalige Verbündete plötzlich feindlich gegenüber. Am 23. August erklärte die japanische Regierung dem deutschen Kaiserreich den Krieg. Der folgende, drei Monate andauernde Konflikt endete mit der Kapitulation der deutschen Verteidiger von Qingdao, worauf rund 5.000 Kriegsgefangene von November 1914 bis Januar 1920 in japanischen Internierungslagern untergebracht wurden.  

Unter diesen Lagern stach eines hervor: Das von ehemaligen Kriegsgefangenen als „musterhaft“ bezeichnete Internierungslager Bandō stellte eine Einrichtung dar, in der ehemalige Feinde auf einander zugingen, voneinander lernten und (teilweise sogar) Freundschaften schlossen. Dies war insbesondere der liberalen Lagerleitung durch Oberst Matsue Toyohisa und seinem Stab, aber auch der Offenheit der Internierten zu verdanken. Die menschliche Behandlung der Unterlegenen mündete in verschiedene interkulturelle Aktivitäten, wobei die erste vollständige Aufführung der 9. Sinfonie Ludwig van Beethovens in Asien am 1. Juni 1918 den Höhepunkt darstellt.

Eine Beschäftigung mit der Geschichte des Bandō-Lagers ermöglicht nicht nur einen Einblick in eine weniger bekannte Episode der deutsch-japanischen Beziehungen. Sie führt uns auch vor Augen, dass selbst für verfeindete Kriegsparteien die Möglichkeit besteht, zueinander zu finden. Das Thema wird anhand von zeitgenössischen Materialien aus der Dauerausstellung im Deutschen Haus in Naruto vorgestellt, eine Einrichtung, die heute nicht nur als Museum und Archiv zur Bewahrung des historischen Vermächtnisses der Internierten, sondern auch als Zentrum des gegenwärtig in Naruto stattfindenden deutsch-japanischen Austauschs aktiv ist.

 

 

Dario Streich – Studium der Japanologie an der Humboldt-Universität zu Berlin sowie der Freien Universität Berlin. Während des Studiums von 2014 bis 2019 studentische Hilfskraft an der Mori-Ōgai-Gedenkstätte der Humboldt-Universität zu Berlin. Einjähriger Forschungsaufenthalt an der Tsukuba-Universität (2016–17). Seit 2019 als Koordinator für internationale Beziehungen in Naruto, Präfektur Tokushima, tätig.