Arbeit und Arbeitsverhältnisse in der Deutschen Südsee
Die deutschen Kolonien, die in erster Linie einen wirtschaftlichen Zweck verfolgten, mussten mit einer permanenten Knappheit an Arbeitskräften kämpfen. Ohne eine nach Menge und Qualität ausreichende Arbeiterschaft für die Plantagenökonomie wären sie wirtschaftlich gescheitert. Die Arbeiterfrage war in den beiden Südseekolonien Neu-Guinea und Samoa besonders akut, weil deren indigene Bevölkerung keine oder nur geringe Bereitschaft zeigte, für die deutschen Kolonialherren zu arbeiten.
Zur Lösung dieser Problematik verfolgten die Kolonialakteure zwei Maßnahmenkomplexe. Die einheimische Bevölkerung versuchten sie durch Anwerbung und Zwangsverpflichtungen zu Arbeitsleistungen im Dienste der Kolonialherrschaft zu mobilisieren. Da das alleine den Arbeiterbedarf nicht decken konnte, bemühten sich beide Kolonien zusätzlich, Samoa ausschließlich, um die Einfuhr ausländischer Vertragsarbeiter (Kulis) aus NL-Indien, Singapur und China. Die Methoden dieser Maßnahmen, ihre Folgewirkungen auf die indigene Gesellschaft zu untersuchen ist Gegenstand dieses Projektes. Beide Maßnahmenbündel waren mit spezifischen Schwierigkeiten verbunden. Die Rekrutierungsaktivitäten bedienten sich vielfach krimineller Methoden und stießen daher auf Desinteresse bis Ablehnung und reizten die Einheimischen zu Widerstand. Bei den Bemühungen um Kulis war man auf die Kooperationsbreitschaft ausländischer Mächte angewiesen, was problematisch war, weil die deutschen Kolonien in dem Ruf standen, an ihren Arbeitern ein strenges, inhumanes Disziplinierungssystem zu vollziehen.
Die Arbeiterpolitik hatte negative Folgen für die demographische Entwicklung, die gesellschaftlichen Verhältnisse und die kulturelle Identität der einheimischen Bevölkerung. Diese zu erkennen und ihnen wirkungsvoll zu begegnen war schwierig, weil es Interessenkonflikte zwischen den Wirtschaftsvertretern und den staatlichen Instanzen in den Kolonien gab. Erstere waren am wirtschaftlichen Erfolg ihrer Unternehmungen interessiert und orientierten sich an Kosten/Nutzen- Überlegungen. Die Gouverneure sahen es darüber hinaus als ihre Aufgabe an, die Einheimischen in die koloniale Gesellschaft zu integrieren bei weitgehender Schonung ihrer tradierten Lebensgewohnheiten. Dieses Spannungsverhältnis ist bis zum Ende deutscher Kolonialherrschaft 1914 nicht nachhaltig gelöst worden.
Reinhard Carstens, Jahrgang 1934, studierte Volkswirtschaft an den Universitäten Hamburg, München und Graz von 1955 bis 1961. Das Studium schloß er mit dem Dipl-Volkswirt und Dr. rer. pol. ab. Danach folgten 32 Jahre Berufstätigkeit bei der IBM Deutschland als Systemberater und Softwareentwickler. Von 1995 bis 2005 folgte ein Studium der Geschichte an der FernUniversität Hagen, das mit dem M.A. abgeschlossen wurde. Danach begannen die Recherchen und Ausarbeitungen an dem hier vorgestellten Projekt.