Das Forschungsprojekt untersucht die Motivation von
Männern "im besten Alter", sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts freiwillig für den Soldatendienst zu melden. Entgegen landläufiger und wissenschaftlicher Annahmen wurden diese Männer in ganz überwiegender Zahl nicht gewaltsam geworben, sonder regulär rekrutiert. Handgeld, Alkohol und freies Essen spielten dabei natürlich eine große Rolle, doch wussten die Männer, worauf sie sich einließen. Das große Elend unter der ländlichen wie auch städtischen Bevölkerung war so allgegenwärtig, dass sich viele der arbeitssuchenden Männern freiwillig zum Dienst in einer der Armeen deutscher (Klein)-Staaten meldeten. Viele von ihnen, entweder verarmte Bauernsöhne, Wanderarbeiter oder Tagelöhner, die entlang des Rheins und der Weser lebten, suchten in den Niederlanden nach saisonaler Feldarbeit oder auch Anstellung bei der Vereenigden Oostindischen Compagnie (VOC), um dort als Seemann oder Soldat auf bestimmte oder unbestimmte Zeit anzuheuern. Vor dem Hintergrund einer hohen Mobilität, die von der temporären Migration bis hin zur Emigration reichte, scheint die befristete oder dauerhafte Anstellung beim Militär eine Option unter vielen Erwerbsmöglichkeiten gewesen zu sein.
Spezieller Untersuchungsgegenstand sind die beiden Regimenter, die der englische König Georg III., zugleich Kurfürst von Braunschweig-Lüneburg (Hannover) ausheben ließ, um sie auf den südindischen Kriegsschauplatz zu schicken. Dort war die englische East India Company (EIC) seit gut einem Jahrzehnt in militärische Auseinandersetzungen mit den regionalen Staaten verwickelt, ganz besonders aber dem Sultanat von Maisur. 1782 landeten die beiden Regimenter in Madras(apatnam)/ Chennai. Kaum in Kampfhandlungen verwickelt, starben jedoch viele Soldaten bereits auf der Überfahrt vor allem aber vor Ort an Krankheiten, so dass von den etwa 1800 Soldaten bald die Hälfte durch erneute Rekrutierungen in Nord-und Mitteldeutschland aufgefüllt werden mussten. Anfang der 1790er Jahre kehrten die Soldaten nach Hannover zurück, wo sie in die regulären Verbände eingegliedert wurden.
Spezieller Untersuchungsgegenstand ist auch das sogenannte "Kapregiment", das Herzog Carl Eugen von Württemberg 1786 an die VOC vermietete, wie dies ein gutes Jahrzehnt zuvor der Landgraf von Hessen-Kassel mit seinen Regimentern an Georg III. zur Bekämpfung der rebellierenden nordamerikanischen Kolonisten getan hatte. Das Kapregiment war zur Entlastung der VOC-Truppen in Kapstadt vorgesehen, wurde aber bald nach Colombo und schließlich Batavia abkommandiert, wo einzelne Truppenkontingente an verschiedenen Stützpunkten stationiert wurden. Auch hier rafften Krankheiten eine Großzahl der Soldaten hinweg, sodass 1808 nur einige wenige von ihnen die Heimat wiedersahen.
Erforscht werden sollen die
möglichen Umstände, weshalb sich die Männer als Soldaten haben rekrutieren lassen, sowie die Lebensbedingungen, die in Kapstadt, Madras und Batavia herrschten. Ähnlich wie in deutschen Garnisonstädten, wo die Soldaten teilweise heirateten und Familien gründeten, da ihnen der Sold zumindest eine Lebensgrundlage verschuf, heirateten auch in Kapstadt einige Soldaten in lokale Familien ein. Da der Wachdienst nicht permanent war und viele Soldaten sogenannte Freiwächter waren, bestand die Möglichkeit, dass sie in den freigestellten Zeiten ihren erlernten Gewerben nachgegangen sind. So findet man nicht nur in deutschen Garnisonstädten einen informellen Arbeitsmarkt, "illegal" außerhalb des zünftisch organisierten gelegen, sondern auch in Kapstadt, wo Württemberger gerne Wein konsumierten und ihn gelegentlich auch produzierten.
Generell war der Alkoholkosnum im 18. Jahrhundert hoch; ob höher als heutzutage, muss dahingestellt bleiben. Ganz gleich ob beim Militär oder bei den Zünften, Geselligkeit stand stets obenan, wozu selbstverständlich ein gutes Maß Bier oder Wein, in Südindien dann Rum oder Arrak gehörte. Offiziere wie Mannschaften tranken auch in Asien und Afrika viel. Lediglich die Qualität des Alkohols unterschied sich, denn Offiziere hatten (wie auch in Europa) stets die Möglichkeit, sich Weinvorräte anzulegen, was dem gemeinen Soldaten nicht vergönnt war, der sich oft mit lokalem "billigem Fusel" zufriedengeben musste. Zur Geselligkeit gehörten indes auch das Kartenspiel und andere Formen des Zeitvertreibs.
Gezeigt werden soll folglich ein facettenreiches Bild von Männern, die sich als Soldaten haben anwerben lassen, auch und gerande im Wissen, dass der Dienst "in Übersee" stattfinden wird. Handgeld und Sold waren hier höher und, sofern Familien daheim geblieben waren, wurde ein Großteil des Soldes an diese ausgezahlt. Der Soldatenberuf ist demnach nicht nur eine temporäre Arbeitsbeschaffungsmaßnahme zur Überbrückung finanzieller oder wirtschaftlicher Schwierigkeiten, sondern eine durchaus ernstzunehmende Möglichkeit, ein bescheidenes Auskommen abzusichern, Quartier zu haben und eine Familie gründen bzw. sie unterhalten zu können.
Abbildungsnachweis:
Abb. 1: Matthias Rogg, ‘Die Ursprünge: Ritter, Söldner, Soldat. Militärgeschichte bis zur Französischen Revolution 1789‘, in: Die Zeit bis 1914. Vom Kriegshaufen zum Massenheer (Grundkurs deutsche Militärgeschichte, vol. 1.) München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2006, p. 81.
Abb. 2: Johann Conrad Müller, Der wohl exercirte Preußische Soldat, oder vollständiges Preußisches Manuale: Zum Nutzen aller derjenigen welche diese Kriegs-Kunst entweder selbst erlernen, oder andere darinnen unterweisen wollen; Ganz neu ans Licht gestellt und mit saubern und dabey nothwendigen Kupfern gezieret. Schaffhausen 1759. Reprint Osnabrück: Biblio-Verlag, 1978. Tab. III, p. 7.
Abb. 3: Barrack of the “Kapregiment”, demolished in 1904. https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/2/20/Kaserne_Kapstadt.jpg .
Abb. 4: Johannes Prinz, Das württembergische Kapregiment 1786-1808. Die Tragödie einer Söldnerschar. Stuttgart: Verlag von Strecker und Schröder, 2nd edn 1932, frontispice.