Humboldt-Universität zu Berlin - Kultur-, Sozial- und Bildungswissenschaftliche Fakultät - Institut für Asien- und Afrikawissenschaften

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BA Projektseminar „Fieldwork under Fire“ – Volatilität, Hegemonie, Neo-Kolonialität und Wissensproduktion im Globalen Süden im Kontext von Gender, Displacement und Aktivismen

 

Bausteine des Projektseminars

 

In einem ersten Seminarblock ging es dezidiert um eine theoretisch-methodische Reflektionen zu Wissensproduktionen im Nexus von Gender, Hegemonialität und Neo-Kolonialität, d.h. vor allem um die Lektüre von zentralen theoretischen und methodologischen Texten zu Wissensproduktionen sowie dem Kennenlernen von de-/post-kolonialen und feministischen Forschungsansätzen im Spannungsfeld von neo-kolonialen und geschlechter-spezifischen Hegemonien und Volatilitäten (nicht nur) im Globalen Süden. Dabei orientierten wir uns u.a. an den Werken von Boaventura Sousa Santos (Another Knowledge is Possible. Beyond Northern Epistemologies; Democratizing Democracy. Beyond the Liberal Democratic Canon), Linda Tuhiwai Smith (Decolonizing Research Methodologies), Bagele Chilisa (Indigenous Research Methodologies), A. Suresh Canagarajah (A Geopolitics of Academic Writing) sowie von Carolyn Nordstrom und Antonio Robben (Fieldwork under Fire).

Im zweiten Seminarblock folgte die Bearbeitung von transregionalen empirischen Fallbeispielen aus Asien, Afrika sowie aus Lateinamerika zum Themenkomplex Gender, Volatilität, Displacement und Aktivismen, die eigenständig von Studierendenteams ausgewählt und gemeinsam bearbeitet wurden. Im Zentrum standen dabei Aktivismen – seien es Mikrobewegungen, zivilgesellschaftliche Netzwerke, soziale Bewegungen, NGO- oder Graswurzelorganisationen in Kooperation mit internationalen Organisationen wie bspw. IDMC, IOM, UNOCHA oder UNHabitat im Rahmen von Entwicklungszusammenarbeit. Wir betrachteten dabei verschiedene Formen und Aspekte von Binnenflucht anhand von aktuellen Beispielen sowie die dadurch generierten bzw. damit verbundenen Aktivismen und deren geschlechtsspezifischen Konstellationen, Dynamiken und Spannungsfelder in den Blick. Grundsätzlich waren zwei Bearbeitungszugänge für die Projektarbeit möglich: (1) thematisch-empirischer Zugang zu einer empirischen Fallstudie sowie (2) theoretisch-methodologischer Zugang zu Wissensproduktionen durch die Erstellung eines Forschungsdesigns samt Selbstreflektion.

 

Studentische Projektarbeiten

 

Nach zwei Präsentationsrunden zu den studentischen Projektideen, ersten Ergebnissen und offenen Fragen für die weitere Erforschung in einer der Blocksitzungen entstanden in der vorlesungsfreien Zeit vielfältige Ausarbeitungen der Projekte für die Modulabschlussprüfung. Die Formate umfassen u.a.

 

eine Reportage zu künstlerischen Aktivismen im urbanen Kabul,

 

einen Blog zu südafrikanischen DichterInnen im District Six,

 

einem Photoessay zu Gentrifizierung, Vertreibung und Aktivismen im urbanen Luanda,

 

einem dekolonial-feministischen Forschungsdesignentwurf,

 

einer audiovisuellen Collage zu multikulturellen Erlebnissen und Stadtteilinitiativen in Berlin-Neukölln,

 

einer transregionalen Studie zu indigenen Displacements und Protestbewegungen durch Mega-Infrastrukturprojekte in Kolumbien und Deutschland, sowie

 

einem Podcast zu alternativen Epistemologien und Methodologien.

 

Einige Ergebnisse der studentischen Projektarbeiten sind in der Orientierungswoche im Rahmen der Fachschafts-Ausstellung am 16.-17.10.2019 auch direkt erfahr- und diskutierbar.

 

Reflektion zum Seminarthema

 

Laut dem International Displacement Monitoring Centre (IDMC) sind von 65 Millionen Menschen, die sich weltweit vor Konflikten, Gewalt und Naturkatastrophen auf der Flucht befinden, 40 Millionen Binnenflüchtlinge. Dabei erfährt Binnenflucht in (inter-)nationalen Diskursen oftmals weniger Aufmerksamkeit als grenzüberschreitende Flucht und Migration, ist oft unsichtbar im Rahmen urbaner Armut, hegemonialer Entwicklungs-, Identitätspolitiken, Konfliktkonfigurationen oder im Rahmen von Versicherheitlichungsdiskursen. Gleichzeitig sind Binnenflüchtlinge “candidates for becoming refugees or migrants, while many if not most refugees were internally displaced before crossing an international border. In parallel, returning refugees and migrants are at risk of becoming internally displaced in the absence of durable solutions” (http://www.internal-displacement.org/research-areas/internal-to-cross-border-movements-and-returns). Allein in 2017 gab es 30.6 Millionen neue konflikt-induzierte Binnenflüchtlinge in mehr als 143 Ländern und Territorien sowie knapp 19 Millionen aufgrund von Naturkatastrophen in mehr als 135 Ländern und Territorien (IDMC Global Report 2018). Letztere sind in den Zusammenhang mit Klimawandel zu stellen, wobei dichotome Kategorisierungen wie konflikt- oder klimawandel-induzierte Binnenflucht problematisch sind, da das Phänomen von Binnenflucht von komplexer, multikausaler Natur ist und die Kategorien miteinander verwoben sein können. “Population growth, underdevelopment, weak governance, armed conflict and violence, as well as poor urban planning in rapidly expanding cities, are important drivers of displacement as they further weaken resilience and increase vulnerability, and exacerbate the impacts of natural hazards and climate change."(http://www.internal-displacement.org/research-areas/displacement-in-slow-onset-crises). Eine weitere Ursache von Binnenflucht stellen Entwicklungs- bzw. Infrastrukturprojekte wie Dämme, der Ausbau von Verkehrswegen, Energiegewinnungsparks etc. dar – zahlenmäßig sogar die signifikanteste Ursache. Studien belegen zudem, dass viele davon betroffene Menschen nicht an Entscheidungsfindungsprozessen beteiligt sind, ausreichend entschädigt werden sowie vor den negativen Folgen von (Zwangs-)Umsiedlung geschützt werden (http://www.internal-displacement.org/research-areas/development-drivers).  Zudem gibt es einen Nexus zwischen Binnenflucht und urbanen Ballungsräumen. Schätzungen zufolge finden sechzig bis achtzig Prozent der betroffenen Menschen dort Zuflucht, zumeist in prekären informellen Siedlungen mit schlechtem bis fehlendem Zugang zu Basisgrundversorgung und Infrastruktur sowie zum Arbeitsmarkt.