Humboldt-Universität zu Berlin - Faculty of Humanities and Social Sciences - Institute of Asian and African Studies

Bambara – Manding – Mandenkan

(Dozentin: Anke Nehrig, M.A.)

Bambara – in lokaler Bezeichnung eigentlich „Bamanan-kan“ – wird zusammen mit Malinke („Maninka-kan“) und Dyula („Jula-kan“) als eine einzige Sprache betrachtet. Dieses sogenannte „Manding-Dialektkontinuum“ oder auch „Manden-kan“ wird von geschätzten 40 Millionen Sprechern vor allem in Mali und den Nachbarländern Burkina Faso, der Elfenbeinküste (Côte d’Ivoire), Guinea und nicht zuletzt im Ballungsgebiet von Paris gesprochen. In diesen Ländern stellt Bambara eine ausgezeichnete Verständigungsmöglichkeit dar, da die Manding-Dialekte der Gegend sehr ähnlich bzw. gegenseitig gut verständlich sind und auch weil sich vor allem in Bamako ein Standard-Bambara entwickelt hat  –  durch die Zuwanderung in Großstädte und die Verwendung des Bambara als Radio-Sprache. Unter den Manding-Sprechern befindet sich eine hohe Zahl von Zweit- und Drittsprechern, die Manding als Verkehrssprache verwenden. (Außerhalb Bamakos und der Muttersprachler-Siedlungsgebiete sind es bis zu 40% der Sprecher in diesem Raum) In Bamako und größeren Städten des Sprachgebiets gehen die ursprünglichen Muttersprachen der zugewanderten Ethnien verloren und in 2. und 3. Generation wird nur noch Bambara als Muttersprache gesprochen.

Auch in Gambia, Ost-Senegal, Guinea Bissau, Sierra Leone, und Liberia gibt es eine bedeutende Anzahl von Sprechern des Manding („West-Manding“), welches dialektal etwas größere Unterschiede zum oben genannten, weitaus mehr verbreiteten „östlichen“ Manding aufweist.

Bambara bzw. „Manden-kan“ wird vielfach als eine der wichtigsten Sprachen Afrikas beschrieben, nicht nur wegen des großen Verbreitungsgebiets und der hohen Sprecherzahlen, sondern vor allem wegen seiner Dynamik. Außerdem sorgen große Erfolge der Musik aus dem Manding-Sprachraum im internationalen Weltmusik-Markt für die weltweite Bekanntheit dieser Sprache. Sänger wie Mory Kante, Salif Keita, Oumou Sangaré oder auch Alpha Blondy und Tiken Jah Fakoly singen in Bambara-Manding und sind weltweit in Radio-Sendern präsent.

 

Historische Verbreitung: Die Dynamik des Manding

Ausschlaggebend für die historisch weite Funktionssphäre der „Manding-Sprache“ als Verkehrssprache sind bedeutende zirkuläre Migrationsbewegungen, die schon seit langem in der Manding-Kultur verankert sind und damit einhergehend die Entwicklung des Handels und Transports. Große Teile der Manding-sprechenden Bevölkerung spezialisierten sich während der Zeit des legendären Mali-Reiches vom 13. bis 15 Jahrhundert als umherziehende Händler, so genannte „Dyula“  und die Sprache „ Jula-kan“ wurde wichtigste Marktsprache in großen Teilen Westafrikas.

Einhergehend mit der Entwicklung des Fernhandels von der Küste bis zur Sahara kam den Manding sprechenden Gruppen ebenfalls eine tragende Rolle bei der etappenweisen Islamisierung in Westafrika zu. Etwa im 15.Jahrhundert konnten Dyula sprechende muslimische Kaufleute ihre Handelsbeziehungen und ihren intellektuellen Einfluss in den Handelszentren (Timbuktu, Djenne etc.) ausweiten.

Die Konvertierung zum Islam war Grundvoraussetzung für die angesehenen gelehrten Händler der urbanen Zentren, die meistens auch schriftkundig waren.  Das hohe Ansehen islamischer Reformisten während der französischen Besatzungszeit im 18. Jahrhundert führte zu einer vermehrten Konvertierung der ländlichen Bevölkerung. Das Dyula wurde zu einer islamisch geprägten Sprache mit vielen arabischen Lehnwörtern.

Trotzdem die Kolonialadministration Französisch als Amtssprache forcierte,  entwickelte sich Bambara vor allem auch als Kommando-Sprache bei den afrikanischen Truppen, den sogenannten Senegalschützen („Tirailleurs sénégalais“), deren teilweise zwangsrekrutierte Soldaten in Einheiten der französischen Armee im 1. und 2. Weltkrieg sowie im Indochinakrieg kämpften.

Auch im Zuge der Widerstandsbewegungen gegen die französische Kolonialisierung wurde das Manding als unkontrollierbare Verständigungs und Vernetzungsmöglichkeit genutzt. So war die sogenannte Dyula-Revolution unter Samory Touré im späten 19. Jahrhundert die stärkste koloniale Widerstandsbewegung, welche sich den völkerverbindenden Stellenwert der Manding-Sprache zu Nutze machte.

So gewann das Manding nach der offiziellen Unabhängigkeit der französischen Kolonien wiederum an Bedeutung als Verständigungsmittel durch den steigenden Kommunikationsbedarf der agierenden Gruppen  untereinander und durch die Schaffung einer übernationalen Identität den Aufbau nationaler Strukturen durch Berufung auf gemeinsame Vorfahren, bzw. Helden der Epik.

 

Sprachliche Produktion im Bambara: performative Redeformen

Durch den hohen Einfluss audiovisueller Medien auf die Gesellschaft, besonders seit der starken Vermehrung privater Radiosender (in Mali nach dem Sturz der Militärdiktatur unter Moussa Traore) sind im Sprachgebrauch des Bambara-Manding interessante Entwicklungen zu beobachten:

Einerseits wurde Bambara v.a. durch die Künste von Improvisations-Schauspielern, von progressiven Journalisten, oder auch von oppositionellen Politikern als „Sprache der Moderne“ etabliert. Die Sprache erhielt durch Radiosendungen und wöchentliche Bambara-Fernsehserien eine urbane Rhetorik und wird als intellektuelle Waffe genutzt für die Bewusstmachung gesellschaftlicher Missstände, für eine Aufklärung, für Frauenrechte, für Ideen der Veränderung. Weiterhin wird die weite Verständlichkeit des Bambara für lange Diskurse von Einzelpersonen genutzt, - medial verbreitet durch Kassetten, neuerdings über Internet - die durch geschicktes Einsetzen rhetorischer Stilmittel eine große Zuhörerschaft erwerben und zu Personen der Öffentlichkeit werden. Beispielsweise ist ein islamischer Prediger – Ousmane Madani Haidara- mit seinen volksnahen religiösen Ausführungen zu einer göttlichen Figur avanciert und hat praktisch durch die Verwendung des Bambara den Islam in Mali reformiert, indem er wesentliche Aspekte der islamischen Schriften für die Bevölkerung verständlich macht und mit modernen Beispielen in Bezug bringt.

In der gegenwärtigen Jugendkultur hat das Bambara vornehmlich durch Rap-Künstler eine völlig neue Verwendungsform gefunden und wird mehr und mehr bevorzugt gegenüber den vormaligen „Mode-Sprachen“ Französisch und Englisch. Hier wird das Bambara sehr kreativ für die Kritik an bestehenden gesellschaftlich-politischen Verhältnissen verwendet. Diese oft harschen Kritik-Formulierungen in den RAP-Texten waren noch vor etwa 20 Jahren undenkbar in der Sprache.

Andererseits wenden Griots und andere Sprach-Spezialisten das Manding in einer rituellen und mystisch-konventionellen Form an. Traditionelle Rollenbilder sind in diesen Texten vorherrschend. Durch das Preisen werden gegenwärtige Inhaber von Macht mit sagenhaften Helden der Mande-Epik in Bezug gebracht. Es geht eher um den Erhalt von Traditionen, aber auch um den Erhalt der Mystik und damit der Macht. Die Sprache, die auch als Manden-Oratur bezeichnet wird, besteht aus Formeln, Sprichworten, vielen Metaphern und kurzen narrativen Sequenzen der Mande-Epen. Auch diese Sprachform wird häufig von Gesangskünstlern und Moderator*innen übernommen und ist äußerst präsent im sprachlichen Alltag.

Inzwischen sind die einst den Griots vorbehaltenen Gesänge und Preis-Genres zu populären Versionen abgewandelt worden, häufig begleitet durch traditionelle Instrumente wie Balafon, Kora, Ngoni etc.. Zweifellos gibt es ein starkes lokales Interesse an diesen musikalisch-sprachlichen Performances, sodass vielfach die Vortragskünstler von den Gepriesenen mit hohen Geldsummen beschenkt werden, um das eigene Prestige in Gegenwart der vielen Zuschauer zu erhöhen.

Sowohl in der traditionalistischen als auch in der reformistischen Verwendung des Bambara wird deutlich, dass das gesprochene Wort und die Eloquenz in der Sprache einen weitaus höheren Stellenwert haben als schriftliche Darstellungen. Die Festigung oder der Gewinn von Macht ist bei diesen performativen Redeformen ausschlaggebend.

Für jegliche Auseinandersetzung mit dieser Region in Westafrika, ist es auch durch die derzeitige gesellschaftliche Umbruch-Situation in den Ländern um so wichtiger, das Bambara gut zu beherrschen, um diese medialen Diskurse einzubeziehen.

 

Schriften in Bambara - Manding

Im Zuge der Islamisierung im 18. Jahrhundert fand zunächst eine Verschriftlichung des Manding mittels arabischer Schriftzeichen statt, die als Adschami-Schrift lange Zeit für Manding genutzt wurde.

1949 wurde von dem Guineer Souleymane Kante das N’ko (wörtlich: „Ich sage“) als afrikanische Schrift für Manding entwickelt. Heute ist diese Schrift im Unicode-Standard auf allen Rechnern verwendbar. N’ko wurde im Zuge der postkolonialen Wiederaufwertung der (Mande-)Kultur zu einer großen Bewegung, zu einer Ideologie und zu einer Etymologie der Manding-Sprache. Es existieren sehr viele Print- und Internet-Publikationen in der N’ko-Schrift und in vielen Gebieten, v.a. in Ober-Guinea, werden Schüler vornehmlich in N’ko alphabetisiert. Lehrinhalte für diesen N’ko-Unterricht und die stark verbreiteten N’ko Radiosendungen sind das Kennenlernen der Manding-Kultur, der eigenen Geschichte und Wertvorstellungen, vorkolonialer Rechtssprechung, das Vermitteln „traditionellen“ Wissens, z.B. die Herstellung von Medikamenten.

Die Transkription in der lateinischen Schrift entstand ursprünglich durch europäische Zuwanderer, unter anderem auch aufgrund der Bestrebungen der Bibelübersetzung. Nach mehreren Versuchen der Standardisierung der Rechtschreibung wurden die verschiedenen Transkriptionen mit der (lateinischen) Lautschrift vereinheitlicht. Die ebenfalls reichlichen Publikationen werden zum Teil für die Alphabetisierung Erwachsener in Mali verwendet („baliku-kalan“). Desweiteren gibt es literarische Publikationen, die aber im Vergleich zu den gesprochenen Werken weniger Aufnahme in der Bevölkerung finden. Zudem werden viele der Bambara-Texte in lateinischer Schrift als Möglichkeit der Informationsverbreitung genutzt.

 

Merkmale des Bambara

Bambara ist imstande und auch bestrebt, neue Konzepte anderer Sprachen zu integrieren. Die Sprache „modernisiert“ sich fortlaufend selbst durch unendliche Möglichkeiten von Wortkompositionen, Derivationen und Konglomerationen.

 

-Komposition

nègè = Eisen   so = Pferd       nègè-so = Fahrrad („Eisenpferd“)

sen = Bein   ->  nègèso-sen = das Rad vom Fahrrad („Eisenpferdbein“)

sabara = Schuh  ->  nègèsosèn-sabara = Fahradreifen (Eisenpferdbeinschuh)

nègèsosèn-chaussetti = Fahrradschlauch (Eisenpferdbeinsocke)

 

dènwolobaliyafura  ->  dèn – wolo    -  bali           -  ya    -   fura
                                
Kind – gebähr – verhindern – NOM - Medikament

                           = „Medikament der Empfängnisverhütung“  = „Pille“

 

-Derivation:

bòn = groß    -ya = Derivationssuffix der Verbalisierung für Aktionswerben

bònya = größer werden

-lan = Derivationssuffix der Nominalisierung für Instrument

bònyalan = „Vergrößer-Instrument“ = Lupe

 

-Konglomeration:

kònò  – tè   – wara  – tè              "weder-Vogel-noch-Löwe" (Fledermaus)

Vogel - kein -  Löwe - kein

= angepasster, entwurzelter Mensch; „Assimilée“

 

Literatur:

Cohen, Nadia. 2006. Verlagswesen und Bamanankansprachige Literatur in Mali. Johannes-Gutenberg-Universität Mainz (unveröffentlichte Magisterarbeit)

Dumestre, Gérard. 2003. Grammaire fondamentale du bambara. Paris: Karthala

Ebermann, Erwin. 1086. Kleines Wörterbuch der Bambara-Sprache: Deutsch-Bambara, Bambara-Deutsch, Wien: Afropub.

Kastenholz Raimund. 1998. Grundkurs Bambara (Manding) mit Texten. 2. Aufl. Köppe, Köln

Schulz, Dorothea. 2012. Muslims and New Media in West Africa: Pathways to God. Bloomington, Indiana: Indiana University Press